Tagebuch unserer Reise zu den Produzent*innen und der Bewegung im Cauca/Kolumbien

9.2.2025
 

Im Februar besuchen wir zusammen mit der Kollektiven Kaffeerösterei La gota negra die Kaffeeproduzent*innen und die Bewegung im Cauca/Kolumbien. Hier werden wir euch möglichst täglich davon berichten:


1. Tag // 2. Tag // 3. Tag // 4. Tag // 5. Tag // 6. Tag // 7. Tag // am 8. Tag hatten wir eine Pause :)
9. Tag // 10. Tag // 11. Tag // 12. Tag




12. Tag

Heute hatten wir mehr Zeit für einen Austausch mit der Koordination der Guardia Indígena. Die Guardia Indígena ist ein unbewaffnetes kollektives Schutzsystem, in dem tausende Frauen und Männer ehrenamtlich ihre Gemeinde und ihre Rechte schützen. Ausgerüstet sind sie dabei nur mit einer Weste und dem bastón, einem symbolischen Holzstock. Basierend auf der indigenen Gesellschaftsweise, aus der sie ihre Stärke zieht, ist die Guardia Indígena ein vielfältiger und umfassender Gemeinschaftsprozess: Neben dem Schutz vor Bedrohungen von Außen, stärken sie auch den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinden. Sie kümmern sich um die Bearbeitung interner Konflikte, unterstützen die Selbstverwaltung, machen politische Bildung, stärken die indigene Kultur und sind auch für den Schutz der Natur zuständig. Unser Treffen fand in der großen Halle der Medizinabteilung der CENCOIC in Popayán statt, die aktuell fast leer steht.


Da wir von heute keine Fotos zum Treffen mit der Guardia haben, noch ein paar Fotos vom guardia-Treffen gestern - hier: Fabian und José Oveimar blicken auf die Aufstellung nehmenden Guardias

José Oveimar Tenorio, der politische Koordinator der Guardia, teilte mit uns uns ihre Analyse des politischen, ökonomischen, militärischen und medialen Kontexts der indigenen Gemeinden des Cauca, die für sie eine wichtige Basis ihres Handelns ist. „Ökonomisch sind wir den verschiedenen Formen des Extraktivismus verbunden mit neoliberalen Politiken ausgesetzt: Monokulturen von Zuckerrohr, Ölpalmen und Holz, in den Händen von Monopolen, Bergbau, der Anbau von Pflanzen, aus denen illegale Drogen hergestellt werden können, die Rekrutierung junger Menschen für die bewaffneten Gruppen. Die Folge von all dem ist, dass wir erneut eine Invasion unserer Gebiete erleben – und wir als Guardia Indígena müssen schauen, wie wir dem begegnen. … Der militärische Kontext ist, dass im Cauca verschiedene militärische Strukturen existieren. Es sind bewaffnete Gruppen ohne eine politisch-ideologische Haltung, sie dienen ausschließlich der Drogenwirtschaft und den Gegnern des Friedens und der sozialen Bewegungen. Sie ermorden Dutzende indigene Amtsträger, Dorfälteste, Guardias, sie rauben uns unsere Jugend… Wir sehen, dass es einen Plan zur physischen, politischen und kulturellen Vernichtung der indigenen Bevölkerungsgruppen und der indigenen Bewegung des Cauca sowie der Guardia Indígena gibt.“

Fabian Ulcue, der für die Koordination der Guardia arbeitet, stellt uns anschließend die Grundsätze der Guardia vor: „Die Guardia ist ein kollektiver Prozess, sie ist sehr partizipativ, es nehmen Jungen, Mädchen, Alte, Jugendliche, Frauen, Männer, ob studiert oder nicht, egal welcher Glaubensrichtung teil. Die Guardia bringt die gesamte Gemeinde zusammen. Wir lachen und fühlen gemeinsam, wir nehmen Anteil aneinander, und wir weinen gemeinsam – denn wir haben viele Genossen und Genossinnen von der Guardia verloren, die an unseren Prozessen teilgenommen haben und ermordet wurden. … Unsere Mission ist klar: Unser territorio und das Leben verteidigen, in dem wir den Frieden schützen und aufbauen. Wir sind auch da, wenn es Naturkatastrophen gegeben hat oder wenn es darum geht, ein verletztes Mitglied einer bewaffneten Gruppe oder der Armee zu bergen und vor dem Zugriff einer anderen Gruppe oder der Armee zu schützen – wir Verteidigen das Leben, wir sind ein humanitärer Akteur, keine Konfliktpartei.“



Angesprochen auf unsere Arbeit mit der CENCOIC und der Guardia sagte Fabian: “Dass ihr den Kaffee von den compañeros der Guardias und insbesondere von den Frauen in der Guardia kauft, ist sehr wichtig. Das gibt ihnen wenigstens ein ausreichendes Auskommen und die Motivation weiter zu machen mit der Guardia. Die Drogen- und Kriegswirtschaft will unsere Gemeinden zerreißen und uns unsere Jugendlichen wegnehmen. Es ist wichtig, dass wir als Guardia da etwas entgegen setzen können.” Wir sprachen dann auch noch konkret über die letzten fünf Jahre unserer Zusammenarbeit, die gemeinsamen Prozesse rund um die Gelder für die Bewegung, die die Guardia erhält, und wie es weiter gehen kann.

Auch von der Guardia erhielten wir tolle Geschenke für unsere jeweiligen Kollektivbetriebe: Gewebte Umhängetaschen, eines der zentralen Symbole der Bewegung, und die emblematischen Halstücher der Bewegung.

Im Anschluss ging es mit Hernan und Paola von der CENCOIC um den nächsten Import. Die CENCOIC machte uns den Vorschlag beim vereinbarten Preis aus dem Vorvertrag zu bleiben, obwohl der Rohkaffeepreis gerade extrem hoch ist. Normalerweise ist der Preis beim Vorvertrag nur ein Richtwert und wird beim Abschluss angepasst, damit wir die Risiken eines Einnahmeverlustes der CENCOIC bei steigenden Preisen abfedern können. Sie sagten, dass sie dies tun wollen, um uns in der schwierigen wirtschaftlichen Situation zu unterstützen. Diese Wertschätzung durch die CENCOIC ist nicht hoch genug zu bewerten und wir werden in den nächsten Wochen mit dem Kollektiv schauen, ob wir das Angebot annehmen wollen oder den Preis noch mal erhöhen werden.

In dem Gespräch ging es auch noch mal um andere Preismodelle, die alle Beteiligten noch besser vor den extremen Preisschwankungen an der Börse schützen. Zum Beispiel eine prozentuale Anhebung des Preises für Rohkaffee in jedem Jahr. Daran werden wir in Zukunft weiter arbeiten und schauen, ob wir eine gute gemeinsame Lösung finden.



Danach gingen wir ins Abschlussplenum mit allen anwesenden Mitarbeiter*innen der CENCOIC. Wir berichteten ausführlich, was bei La gota negra und Aroma Zapatista in den letzten Monaten passiert ist, welche Themen uns bewegten und besprachen dies mit der CENCOIC.

In einer feierlichen Abschlussrunde bedankte sich jede*r von uns persönlich für die Besuchsreise und teilten unsere Erfahrungen. Außerdem richteten Hernan, Lucia, Paola, Manuel und Juan Carlos das Wort an uns und wir bekamen noch mehr sehr schöne Geschenke überreicht, um den Cauca mit nach Hause und zu unseren Kollektiven zu nehmen.

Nach diesem sehr emotionalen Abschluss des inhaltlichen Programms gab es ein leckeres Abendessen und der Tanzabend wurde eröffnet...




11. Tag

Heute Vormittag waren wir auf einem Treffen der Guardia Indígena in der Nähe von Popayán. Die Guardia Indígena sind die die unbewaffneten Selbstschutz-Einheiten der indigenen Gemeinden im Cauca. Wir hatten eine sehr kurze Anreise und kamen daher sehr früh an. Nach und nach kamen immer mehr Delegationen von Guardias an. Sie waren am frühen Morgen aus allen Teilen des Cauca aufgebrochen - einige kamen sogar den weiten Weg aus den territorios an der Pazifikküste. Gut, dass das Frühstück bereits fertig war als sie ankamen. So bildete sich an der Essensausgabe bald eine lange Schlange, ebenso wie am Obststand, den wir geholfen hatten aufzubauen.



In der Zeit bis zum Beginn des Treffens konnten wir uns kurz mit den Regional-Koordinatoren der Guardia Indígena treffen. Sie sagten uns, wie wichtig die von uns mit dem Kaffeeverkauf generierten Gelder für die den Prozess der Guardia ist. Viel Zeit blieb allerdings nicht, bis das Treffen begann, und so verabredeten wir uns für den nächsten Morgen, das Gespräch in Popayan fortzuführen.

Die Delegationen der Guardia hatten Aufstellung genommen. Insgesamt waren rund 750 Frauen, Kinder, Alte und Männer anwesend – das verdeutlichte uns eindrücklich, dass die Guardia ein Basisprozess der gesamten Gemeinde ist und, wie einer der Redner*innen es ausdrückte „das Herz und das Rückgrat“ der Bewegung. Es sprachen nacheinander die Koordinator*innen der 12 Zonen und die Regional-Koordinator*innen sowie anwesende Mitglieder des obersten Rates des Cauca.

Anschließend durften wir das Wort an die Anwesenden richten. Wir lasen eine Erklärung (Spanisch / Deutsch) vor, in der wir der Bewegung unsere Solidarität und unseren Schmerz angesichts der Gewalt, die sie erfährt ausdrücken und in der wir den 15 Menschen gedenken, die 2024 ermordet wurden, während sie eine Funktion für ihre Gemeinden ausfüllten – viele von ihnen waren Guardias Indígenas.



Nach den Reden kam dann der Sport dran: Es wurde Fußball gespielt. Leider verpassten wir die Gelegenheit ein eigenes „deutsches“ Team zusammenzustellen, denn wir hatten eine Verabredung mit den Koordinator*innen der Jugend-Abteilung des CRIC.

Wir waren sehr begeistert von der Aufgeschlossenheit und dem Selbstvertrauen der jungen Menschen. Es ist immer wieder bewundernswert, wie gut hier sehr viele ohne Aufzeichnungen frei reden können und den Bogen spannen, um, ohne sich inhaltlich zu verheddern, zum Ziel zu kommen. Sie berichteten uns von ihrer Arbeit und wir tauschten uns auch über unsere Erfahrungen zu freier Jugendarbeit in Hamburg aus. Sie berichteten von ihren Erfolgen, scheuten sich aber auch nicht Probleme mit der älteren Generation anzusprechen. Dabei ging es auch darum, dass sie den Eindruck haben, ihre Stimme wird nicht genug gehört, sowie um Themen wie Schwangerschaftsabbruch und Geschlechteridentitäten. Beim anstehenden 54. Jahrestag der Gründung des CRIC haben sie nicht viel Zeit zugesprochen bekommen. Halb im Scherz sagten sie daher, dass sie das Mikro einfach ergreifen werden, um ihre Sichtweisen mit der Bewegung zu teilen.



Später kamen wir wieder auf den traurigen Punkt der Zwangsrekrutierungen von Jugendlichen durch die bewaffneten Gruppen in manchen Teilen des Cauca – eine Realität, die dazu führt, dass jedes Jahr hunderte jungen Menschen in Särge in ihre Gemeinden und zu ihren Familien zurück kommen.

Begeistert von der Energie der Jugendlichen aber auch den Kopf voller weiterer Fragen und sehr nachdenklich über das Gehörte machten wir uns wieder auf den Weg zurück nach „Hause“, auf die Finca. So hatten wir wieder jede Menge Gesprächsstoff die Rückfahrt und die tägliche Nachbesprechung am Abend.




10. Tag



In den 10. Tag unseres Besuches starteten wir auf der Finca der Abteilung für die Frauen* des CRIC, dem "Programa Mujer CRIC", mit einem Ritual zur Harmonisierung unter Leitung von Mayora Ortencia Dombe.
(mayora oder mayor werden die weisen, respektierten Gemeinde-Ältesten genannt)



Die Finca hat 35 Hektar und ist seit 2021 in der Hand der Frauen-Organisierung innerhalb des CRIC. Es ist ein weitläufiges, grünes Gelände. Hier betreiben sie Klein- und Großviehhaltung, bauen Gemüse, Kochbananen und vielerlei Heilpflanzen an. Dies geschieht zur Selbstversorgung der Abteilung – außerdem werden zusammen mit dem kolumbianischen Institut für berufliche Bildung SENA Kurse für Frauen aus den indigenen Gemeinden angeboten, um deren wirtschaftliche Selbstständigkeit zu stärken. Und mit den Heilkräuter wird die Verbindung der Frauen* zur Spiritualität belebt. In Zukunft wird hier auch Kaffee angepflanzt – dabei möchte auch das Team der CENCOIC gerne mit Wissen und Tat unterstützen.

Lest mehr zum Programma Mujer in diesem Artikel.



Mayer Sánchez, die Koordinatorin der Frauen-Organisierung des CRIC, und ihre Kolleginnen erzählen uns eindringlich das sie sich dafür einsetzen, dass Übergriffe auf Frauen ernst genommen und als „Notfall“ behandelt werden müssen, und dass es Nachforschung seitens der Selbstverwaltungsstrukturen sowie juristische Folgen geben muss, wenn Männer gewalttätig sind.

Neben vielen Treffen für Frauen, in denen sie sich austauschen, stärken und psychologisch sowie spirituelle Betreuung erhalten, initiierte die Frauen-Abteilung vor zwei Jahren eine Männerschulung, um gemeinsam ins Gespräch zu kommen über die Ursachen und Folgen patriarchaler Strukturen in den indigenen Gemeinden. 40 Männer aus den verschiedenen anderen Strukturen des CRIc und den Selbstverwaltungen haben mitgemacht.

Es folgte ein Bericht von Natalia, die für die Beobachtungsstelle gegen Frauengewalt des Programa Mujer verantwortlich ist. Dafür werden Berichte von den Selbstverwaltungsstrukturen, der indigenen Krankenkasse sowie der lokalen Frauen-Gruppen zusammengetragen und systematisiert.



In unserem Gespräch gibt es viel Zeit für Nachfragen und Austausch. Gerade in Bezug auf die Kaffeeproduzierenden interessiert uns, wie wird das ökonomische Unabhängigkeit der Frauen gewährleistet wird. Meist haben die Männer die Landtitel. Es gibt generell viele wirtschaftlich orientierte Basisinitiativen von indigenen Frauen, dennoch ist es wichtig die Forderungen nach finanzieller Unabhängigkeit sichtbarer zu machen und die Initiativen zu vernetzen – hierzu gab es letztes Jahr das erste Vernetzungstreffen. Die Frauen-Abteilung des CRIC kämpft dafür, dass Frauen für ihre Arbeit ihren eigenen Lohn erhalten, normalerweise entscheidet der Mann über das Geld, bei Scheidungen haben Frauen wenig ökonomische Rechte.

Letztes Jahr hat auf der Finca der Frauen ein Vernetzungstreffen für indigene Frauen aus Abya Yala (der indigener Name für Lateinamerika) stattgefunden. Die Frauen erzählen, dass es eine super schöne und wertvolle Zusammenkunft war.

Das Programa Mujer CRIC macht außerdem sehr viel Öffentlichkeitsarbeit. In den letzten Jahren wurden drei Dokus produziert und auf internationalen Filmfestivals gezeigt. Themen sind „Frauen in der Guardia Indígena“ (siehe Berichte der nächsten beiden Tage), „30 Jahre Programa Mujer CRIC“ und „Frauen im CRIC“. Außerdem haben sie ein Radio-/Podcast-Serie gemacht. In jedem der 10 Folgen wird eine Form von Gewalt gegen Frauen anhand einer fiktiven Erfahrung dargestellt und anschließend politische Forderungen der Frauen formuliert.

Der Podcast wurde in den lokalen Radiosendern der Bewegung ausgestrahlt, die in den indigenen Gemeinden viel gehört werden. Von verschiedenen lokalen Selbstverwaltungen gab es daraufhin Kritik, dass die Themen zu hart und direkt angesprochen wurden und die Sendung zur Familien-Sendezeit ausgestrahlt wurde, das Programa Mujer aber sagte: es soll alle erreichen, deswegen ist eben genau diese Sendezeit gut.



Die Abschlussworte sprach Majora Ortencia Dombe: „Spiritualität ist sehr wichtig für indigene Gemeinden. Sie müssen ihre eigenen Wurzeln finden, nach innen schauen. Die Erziehung der Kinder muss sich ändern, um Machismo zu bekämpfen, wir müssen die Sachen aussprechen, um sie zu heilen, hier in der Finca der Frauen, haben viele Frauen auch alte Frauen, die noch nie über ihre Erfahrungen gesprochen haben, zum ersten mal darüber gesprochen und sich auf dem Weg der Heilung begeben. Das Reden hat sie bestärkt und zu den eigenen Wurzeln zurückgeführt.“



Zu Mittag aßen wir alle gemeinsam in einer wunderschönen Außenküche zwischen den Kuhwiesen mit weitem Blick über die Felder. Zum Abschied bekamen wir alle eine Flasche Wein, Kaffee, ein T-Shirt des Programa Mujer und ein CRIC-Halstuch geschenkt. Wir waren sehr gerührt von dieser Geste und machten ein schönes gemeinsames Abschlussfoto.



Am Nachmittag besuchten wir die am Stadtrand von Popayán gelegene bewegungseigene Interkulturelle Indigene Autonome Universität UAIIN. In der Tulpa, dem spirituellen Herz der Universität, erzählte uns Rosalba Ipia, eine der Koordinator*innen der Universität, sowie zwei der Mayores, die die Tulpa betreuen, von den Ursprüngen, dem Charakter und den Zielen dieser einzigartigen Institution.

Mehr dazu findet ihr in diesem Artikel und im Kurzfilm, den der Kommunikationsstudiengang über die Uni produziert hat.







9. Tag



Heute hatten wir ein Gespräch mit zwei Vertreter*innen des Obersten Rates des CRIC im „großen Haus“, dem Sitz des CRIC in Popayán. Dort gab es ein großes Wandbild mit den drei zentralen historischen Persönlichkeiten, auf die sich der Kampf der indigenen Gemeinden für Selbstverwaltung und ihre Rechte bis heute bezieht: La Gaitana (16. Jahrhundert), Juan Tama (17./18. Jahrhundert) und Quintín Lame (frühes 20. Jahrhundert)




Wir trafen uns dort mit den Ratsmitgliedern Jhoe Sauca und Rosalba Velasco. Sie erzählten uns über die aktuellen Entwicklungen im CRIC. Die weitere Konstruktion und Festigung der eigenen Wirtschaftsstrukturen ist eins der wichtigsten Ziele für die indigenen Gemeinschaften, um mehr und mehr Unabhängigkeit zu erreichen.



Daraufhin spazierten wir ein paar Hauseingänge weiter und trafen hier das Ratsmitglied Jaime Juspian, der für den Bereich Wirtschaft und Umwelt zuständig ist. Er erklärte uns ausführlicher die Pläne und die Wichtigkeit, eine eigenes Industriegebiet aufzubauen und so die Weiterverarbeitung und den Vertrieb in der eigenen Hand zu haben. Denn nur so bleibt der Gewinn aus den Ernten und den Rohstoffen ihrer Territorien auch bei ihnen und nur so können die Produzent*innen faire Preise für ihre Produkte erhalten.



Außerdem zeigten zwei Mitarbeiter aus der Abteilung eigene Wirtschaft und Umwelt uns eine Präsentation zu ihren aktuellen Projekten und wie sie Wirtschaft und Umwelt zusammen denken wollen. Und wir schauten einen Werbefilm über den eigenen indigenen Tourismus, der auf den Grundsätzen der Bewegung beruht und den Gemeinden zugute kommen soll.



Zum Mittagessen gingen wir dann in das Haus der Kooperative „Buen Vivir“. Es gab frittierte Forelle, natürlich mit Reis und Kochbananen sowie einer leckeren Suppe. Tito Arbey , der Geschäftsführer der Kooperative, nahm uns herzlich in Empfang und berichtete uns während des Essens, über die Verbesserung der Selbstversorgung der Gemeinden durch die Vermarktung und Weiterverarbeitung der eigenen Produktion. In dem Haus der „Buen Vivir“ gibt es neben dem Restaurant für alle Mitarbeitenden des CRIC, einen Laden mit den Produkten die sie verkaufen und einige Büros.



7. Tag

Den Tag begannen wir wie immer mit einem leckeren Frühstück in der Finca der CENCOIC „Por Fin“. Es gab Rührei, dazu Arepas mit dem selbstproduzierten Käse aus dem Schulprojekt in Tacueyó und frische Papaya und Bananen mit dem ebenfalls in Tacueyó selbst hergestellten Kaffee-Jogurt. Außerdem probierten wir heute zum ersten mal den sehr leckeren Kaffee von der Finca von Hermes Pete.

So gestärkt machten wir uns heute ausnahmsweise erst um 8 Uhr auf den einstündigen Weg zur kleinbäuerlichen Anbaukooperative ASOCAL (Asociacion Campesina de Caldono) im Dorf Campo Alegre im Landkreis Caldono. Die Fahrt dahin nutzten wir, um mehr von Hernán Castellanos, dem Koordinator der Kaffeeabteilung der CENCOIC, über die aktuell sehr komplexe politische Situation und deren Bedeutung für die Zukunft der CENCOIC auszutauschen.

Im Sitz der Kooperative wurden wir sehr herzlich von den Mitgliedern der Kooperative in Empfang genommen. Außerdem trafen wir unsere Freunde vom Kollektiv „La Libertaria“ aus Lecco/Italien wieder, die das Glück hatten, hier übernachten zu dürfen. Die Kooperative ASOCAL wurde 1995 von den Bäuer*innen gemeinsam mit politisch organisierten Lehrer*innen gegründet, die in ihrer Freizeit kleinbäuerliche Organisierungen anstießen. Nach einer Vorstellungsrunde mit allen Beteiligten machten wir uns auf den Weg die Finca zu erkunden. Im Grunde ist die Finca ein sehr großer Selbstversorgungsgarten: hier wird Mais, Yuca, Rote Beete, Kartoffeln, Kürbis, Bohnen, Zuckerrohr, Kochbananen, Kräuter, unterschiedliches Gemüse, verschieden Obstsorten und natürlich Kaffee angepflanzt.



Zusätzlich besitzen sie eine Weiterverarbeitungsanlage zum Reinigen und Mahlen für Kochbananen, Quinoa, Gerste, einen solarbetriebenen Trockenofen zur Haltbarmachung von Ananas und anderen Früchten, sowie eine Anlage zum Verpacken von Panela.

Leider haben sie im Moment Probleme bei der Beschaffung von Quinoa und Kochbananen. Bei der Produktion von Panela-Vollrohrzucker in Pulverform ist die lokale Nachfrage nicht sehr hoch. Deshalb ist die Weiterverarbeitung im Moment nicht ausgelastet – in Zukunft soll aber die für uns exportierte Panela dort vereinheitlicht und verpackt werden.

Direkt nebenan ist die eigene Rösterei. Victor Hugo, der Röster der Kooperative, versorgte uns mit allen Informationen. Die Eigenmarke von ASOCAL, Cafe Campo Alegre, wird unter anderem in Popayán vertrieben. Victor Hugo zeigte uns eine größere Menge Kaffeebohnen, die er gerade frisch geröstet hatte für einen Kunden aus Cali, der diesen mit Coca-Tee mischt und weiter vermarktet.



Nach dem Rundgang ging es weiter mit unserem heutigen Hauptthema: 2023 haben wir mit La Libertaria über die CENCOIC Panela-Vollrohrzucker importiert. Mehr über die Panela „Los Tres“, auf Deutsch „Die Drei“, weil bei diesem Projekt die drei ländlichen Sektoren der indigenen, afrokolumbianischen und kleinbäuerlichen Bevölkerung zusammenarbeiten, findet ihr hier.

Der Import war von vielen Schwierigkeiten begleitet. Besonders die bürokratischen Erfordernisse des kolumbianischen und italienischen Zolls haben den Prozess verzögert und verteuert. Wieder einmal merken wir, wie herausfordernd die Produktion und der Export von Nahrungsmitteln für kleine Kooperativen ist. Trotz aller Schwierigkeiten waren wir uns mit allen Beteiligten einig, dass Projekt fortzuführen.



Wir wurden wie immer sehr lecker bekocht. Es gab „sopa y seco“ also ein Eintopf (Sancocho) mit Reis, Fleisch und anderen Beilagen. Der Sancocho, wie der Eintopf genannt wurde bestand aus Mais, Yuca, Kochbananen, Kürbis, Bohnen und reichlich Koriander. Im Anschluss durften wir den am Vortag von ASOCAL und La Libertaria doppelt destillierten vergorenen Zuckerrohrschnaps mit Limettensaft probieren. Eine süß-saures Erlebnis.

Nach dem Mittagessen drehten wir noch eine Runde über die Finca und Don Arcadio gab uns einen Einblick in die angepflanzten Gemüse-Kulturen und die unterschiedlichen Kaffeevarietäten (vor allem Bourbon). Nachdem wir noch ein paar Mangos und Maiskolben fürs Abendbrot mitgenommen hatten, machten wir uns gut gelaunt auf den Heimweg. Auf dem Rückweg kauften wir für alle Eis mit Erdnussgeschmack.

Morgen haben wir einen freien Tag und machen vielleicht einen kleinen Spaziergang in der Nähe der Finca. Vamos a ver… („Mal sehen“)



6. Tag

Heute saßen wir aufgeregt zusammen beim Frühstück, dieser Tag wird super spannend! Wir besuchten die Fincas (Bauernhöfe) der Kaffeeproduzent*innen. Jene Menschen, die die Bohnen anbauen, die ihr jeden Morgen in eure Tassen gießt und genießt.

Unser erster Stopp war bei Don Arelio und Doña Luz Mery Chique sowie ihrer Familie. Direkt an einer kleinen Straße, nicht weit vom Dorfkern des indigenen Selbstverwaltungsgebiets San Lorenzo de Caldono. Direkt hinter ihrem Haus erstrecken sich, die Kaffeepflanzungen. Sie beide bauen seit 8 Jahren Kaffee an und haben jeweils 0,5 Hektar Land, auf dem sie je 2.000 Sträucher anbauen – wie alle Produzent*innen, die wir heute besuchen von der Arabica-Varietät Castillo. Sie sind froh, Teil der CENCOIC zu sein, und freuen sich über die Weiterbildungen und agrar-technischen Verbesserungen, die sie dadurch bekommen können.



Lucia Becoche von der Qualitätsabteilung der CENCOIC und der Agrartechniker John Alexander Tumubala ergänzen, dass fast alle Bäuer*innen auf sehr kleinen Flächen Kaffee anbauen und es deshalb um so wichtiger ist, einen guten Ertrag und eine hohe Qualität zu sichern, um einen ausreichendes Einkommen für die Familien zu erzielen.

Arelio und Luz erzählen, dass sie neben Kaffee auch Mais, Kochbananen und Bohnen für die Selbstversorgung anpflanzen. Die Kaffeepflanzen müssen je nach Varietät nach einer gewissen Zeit erneuert werden, dann dauert es 1 bis 4 Jahre bis sie erneut Früchte tragen. Viele der jetzigen Pflanzen sind 4 Jahre alt, einige stehen gerade in einer wunderschönen weißen Blüte.

In der Zeit ohne eigene Kaffeeernte gehen sie auf andere Fincas, um dort als Erntehelfer*innen zu arbeiten. Viele der Kaffeeanbauenden arbeiten das ganze Jahr über 3 Tage auf der eigenen Finca und 2 Tage für andere Bäuer*innen, um ein zusätzliches Einkommen zu haben. Die CENCOIC fördert die Anbauenden darin, auf ihren Flächen, Pflanzen verschiedenen Alters anzubauen, so dass sie eine dauerhafte Kaffeeproduktion und damit ein dauerhaftes Einkommen haben.

Zwischen den Kaffeepflanzen, stehen Chili-Büsche. Diese halten durch ihren Geruch die Insekten ab, fungieren also als natürliches Anti-Insektizid. Als Dünger verwenden sie Kompost: Hühnermist, Kaffeeschalen und „agua mieles“, das Wasser, welches bei der Kaffeewaschung übrigbleibt. Diese müssen mit Kalk vermischt und mit Bakterien angereichert werden und ergeben dann einen hervorragenden Dünger. In den großen Fässern, in denen der Dünger produziert wird, befinden sich aufgeschnittene Plastikflaschen, als Häuser für die Bakterien. Ein Nebeneffekt ist außerdem, dass die Wasserverschmutzung bei der Weiterverarbeitung vermieden wird, da das übersäuerte Wasser direkt zu Dünger weiterverarbeitet wird.

Die Umstellung auf bio-zertifizierten Anbau dauert 3 Jahre. Die Agrartechniker*innen der CENCOIC erklären bei Workshops wie die Herstellung von Bio-Dünger funktioniert und dann können die Produzierenden diesen auf ihren eigenen Fincas selbst herstellen. Aktuell hat die Kooperative 86 bio-zertifizierte Produzent*innen.

Wusstet ihr schon, dass eine Kaffeepflanze der Varietät Castillo im Cauca im Durchschnitt 300-400 Gramm Pergamin-Kaffee im Jahr trägt? Mit ihren je 2.000 Pflanzen produzieren die beiden also jeweils 800 Kilo café pergamino im Jahr.

Wir bekamen von der eigenen Produktion einen sehr leckeren selbst gerösteten Kaffee zu trinken und fanden auf unserem Weg durch den Hang der Kaffeepflanzungen leckere Orangen, kleine Mangos und Guyaba-Früchte.

Unser nächster Stopp war dann bei Don Antario und Doña Martha mit ihrer Familie. Schon ihre Großeltern waren Kaffeeanbauende. Sie haben auf ihren 2 Hektar 9.000 Kaffeepflanzen und produzieren zwischen 2.000 bis 3.000 Kilo Rohkaffee pro Jahr.



Seit 2019/20 hat Don Antario auf bio-zertifizierten Anbau umgestellt. Mit dem Aufschlag von 7.000 Pesos pro Kilo (knapp 2 Euro), den er für die hohe Qualität und die Bio-Zertifizierung seines Kaffees bekommen hat, konnte er eine Scheune bauen. Er sagt: „Bio-Anbau ist gesünder für die Bäuer*innen und unsere Familien und die Produktion ist ein natürlicher Kreislauf.“ Hühner und Schweine beispielsweise dienen dem eigenen Konsum, zum Verkauf und ihr Mist wird als Dünger weiter verwertet.

Die Familie baut hier auch Bohnen, Mais und Yuka zur Selbstversorgung an. Eine Sau hat gerade süße Babys bekommen, an ihren Ställen vorbei liefen wir zu der Anzucht kleiner Kaffeepflanzen und von dort weiter über die sehr bio-divers gepflanzten Kaffeefelder. Hier wächst der Mais gemeinsam mit Kaffee und Kochbananen und es gibt viele Schattenflächen. Direkt an einem Hang haben wir eine schöne Aussicht auf die Zentralkordillere. Hier blühen die kleinen Kaffeepflanzungen und wir erfahren, dass auch aus den Blüten ein natürlicher Energy-Drink hergestellt werden kann. Don Antario hat einen eigenen Fruchtfleischentferner, sowie einen Trockentunnel.



Der spannende und informative Spaziergang durch die Kaffeefelder legen wir zum Teil unter die Pflanzungen tauchend und an steilen Abhängen zurück. Das zeigt uns nochmals wie anstrengend die Ernte für die Anbauenden und die Erntehelfer*innen ist. Das Gehalt für die Tagelöhner*innen ist 30.000 Peso (ca. 7 Euro) und drei Essen pro Tag. Während der Haupterntezeit bekommen sie die Bezahlung pro Kilo Kaffee, den sie ernten.

Zurück am Haus der Familie, welches komplett selbst aufgebaut wurde, gibt es einen super leckeren Eintopf aus den Zutaten des Gemüsegartens zum Mittag. Wir kauften noch ein Paket Eier und bekamen super leckere kleine Paprikas zum Snacken.



Daraufhin sind wir mit vollem Bauch zur dritten Finca gefahren. Doña Luz Angela Patiño hat 1 Hektar Land mit 3.000 Kaffeepflanzen. Ihr Feld liegt im Selbstverwaltungsgebiet von La Laguna Siberia, sie ist Teil der Produzierenden-Gruppe Manantial mit 12 Mitgliedern. Sie düngt 2 Mal im Jahr mit Hühnermist ihrer eigenen Hühner. Außerdem baut sie sehr schöne Blumen an, aber der Kaffee bringt ihr am meisten Geld ein.

Eine Pflanze kann maximal 4 Mal zurückgeschnitten werden, bevor sie nur noch so wenige Früchte trägt, dass sie nicht mehr wirtschaftlich ist. In den Jahren 2022 und 23 war bei Luz die Ernte Menge gering. 2024 gab es eine gute Menge. Für 2025 erwartet sie und die CENCOIC allgemein bei der Kaffeeproduktion eine Steigerung von 10 bis 20 %. Bei der Kaffeeernte unterstützen sich die 12 Mitglieder-Familien gegenseitig, sie nennen es „cambio de mano“ – so brauchen sie wenige oder gar keine Erntehelfer*innen.

Doña Luz ist eine von mehr als 1.000 Frauen, die Mitglied der CENCOIC ist. Sie alle erhalten beim Aufkauf einen kleinen Bonus von der CENCOIC. Auch ihre 18-jährige Tochter hat Interesse am Kaffeeanbau und beginnt dieses Jahr, eigenen Pflanzen anzubauen. Den Kaffee von den Frauen der CENCOIC könnt ihr in unserem starken Espresso Tierra y Luna probieren.

Insgesamt haben wir heute viel gelernt – vor allem, dass Kaffeeanbau eine sehr harte, intensive Arbeit ist, die viel Wissen, Sorgfalt und Engagement braucht … und daher auch Kaffeepreise, die den Kleinbäuer*innen ein Leben in Würde und ökonomischer Sicherheit ermöglichen.




5. Tag

Heute sind wir begleitet von der CENCOIC in das indigene Selbstverwaltungsgebiet San Lorenzo de Caldono gefahren. Dort haben wir die Produzent*innen-Gruppe ASPROLE getroffen haben. Von der Landstraße Panamericana abgebogen, ging es über die Berge, vorbei an vielen Kaffeepflanzungen über einen Fluss und wieder hoch in die Berge. Als wir in der Lagerhalle von ASPROLE ankamen, erwarteten uns unter anderem eine Kindermusikgruppe mit Gitarren, Panflöte und Trommeln. Alle haben zu ihren Liedern mitgesungen und mitgetanzt.

Nacheinander stellten die vier Koordinator*innen der Produzent*innen-Gruppe sich und ihre Gruppe vor. ASPROLE ist mit 350 Mitgliedern eine der größten Gruppen der CENCOIC. Neben der großen Lagerhalle mit Büroraum haben sie ein kleines Labor aufgebaut, in dem die Kaffee-Qualität direkt bei Ankauf getestet werden kann.



Außerdem begrüßten uns eine der zwölf gewählten Vertreter*innen des indigenen Selbstverwaltungsgebietes San Lorenzo, in dem rund 15.000 indigene Nasa sich basisdemokratisch selbst regieren, sowie eines der Ratsmitglieder von „Sa‘th Tama Kiwe“, der Vereinigung der sechs Selbstverwaltungsgebiete im Landkreis Caldono. Um auszudrücken, was das indigene Selbstverständnis ihrer Arbeit ausmacht, sagte einer der anwesenden Amtsträger*innen: Wir denken mit dem Herz und arbeiten für das Vorankommen unserer Gemeinden.

Die Amtsträger*innen sowie Vertreter*innen der Jugendgruppe und der Frauengruppe des Selbstverwaltungsgebietes berichteten uns auch über die derzeitige Situation, ihren Widerstand und ihre beeindruckende Organisierung. Wie in vielen Regionen des Cauca, kämpfen verschiedenen bewaffneten Gruppen um die Kontrolle über die Gebiete und den Anbau von Pflanzungen, aus denen illegale Drogen produziert werden können. Ein großer Erfolg der Gemeinde ist, dass mit Hilfe der Guardia Indigena und der gesamten Gemeinde die Flächen des Selbstverwaltungsgebiets frei von diesen Anpflanzungen ist. Doch die bewaffneten Gruppen versuchen diesen Widerstand zu brechen.

Viele Jugendliche sind früher in die großen Städte oder in andere Regionen migrieren, um dort als Haushaltshilfen oder Tagelöhner ausgebeutet zu werden. Aktuell verdingen sich viele junge Menschen als Tagelöhner in den illegalisierten Anpflanzungen oder werden von bewaffneten Gruppen zwangsrekrutiert, oftmals weil andere wirtschaftliche Möglichkeiten fehlen. Immer wieder muss die Gemeinde Särgen mit ihren jungen Menschen in Empfang nehmen.



Die Jugendgruppe versucht, dieser Situation zu begegnen: Es fordert die Mitsprache der Jugendlichen in der Selbstverwaltung ein und stellt mittlerweile eine*n eigene*n Vertreter*in im Rat der Gemeinde. Ebenso wird durch kulturelle Aktivitäten die eigene indigene Identität und die Verbundenheit mit der Gemeinde gestärkt. Insbesondere der Erhalt der Sprache Nasa Yuwe ist der Gemeinde und der Jugendgruppe ein wichtiges Anliegen. Außerdem haben sie überall im Ortskern wunderschöne Wandgemälde gemalt und sie kümmern sich um den Schutz der Naturschutzgebiete innerhalb des Selbstverwaltungsgebietes.

Ein weiterer Ansatzpunkt der Gemeinde ist die Stärkung der eigenen, gemeindebasierten und solidarischen Wirtschaft. Es gibt unter anderem eine von der Gemeinde verwaltete Getränkefabrik, eine WhatsApp-Gruppe in der geldfreier Tauschhandel betrieben wird und überschüssige Lebensmittel verschenkt werden, eine eigene Naturheilmittelherstellung und eben die Produzent*innen-Gruppe ASPROLE. So sollen für alle Bewohner*innen des Selbstverwaltungsgebietes, aber vor allem die jungen Menschen wirtschaftliche Möglichkeiten geschaffen werden.



Am Nachmittag durften wir einen Ort für die Kinder und Eltern der Gemeinde kennenlernen. Dort können die kleinsten Bewohner*innen der Selbstverwaltung hinkommen und vermittelt durch ältere Gemeindemitglieder die Kultur, die Musik, die Sprache und das Weltverständnis der Nasa kennenlernen. So werden sie früh in ihrer Identität und ihrem Widerstand gestärkt. Wir haben in einer Tulpa, einem spiritueller Ort des Zusammenkommens, am Feuer mit den Kindern Lieder gesungen, und unter Anleitung eines Gemeindeältesten eine kleine Zeremonie an einem heiligen Baum, dem Saak Helu, der für die Kraft und Fruchtbarkeit der Natur steht, gemacht.

Nach einem vollen und beeindruckenden Tag sind wir dann wieder die Berge hoch und runter zur Finca der CENCOIC gefahren.




4. Tag

Nach einer kurzen Fahrt zu siebt im Auto wurden wir in der Zentrale der Kaffee Abteilung der CENCOIC mit einem leckeren Kaffee wie immer sehr herzlich in Empfang genommen. Vor 2 Jahren ist die Abteilung mit Büro und Lager aus Kosten- und logistischen Gründen von Popayan in das für viele Produzent*innen-Gruppen zentraler gelegene Piendamo umgezogen.

Hernan, der Leiter der Kaffeeabteilung, präsentierte uns den Jahresbericht der Abteilung von 2024. Die gute Nachricht zuerst: die Kooperative konnte in 2024 mit 776 Tonnen deutlich mehr Pergamin-Kaffee aufkaufen als im letzten Jahr. Die schlechte: mangelnde Liquidität ist das größte Problem der Kooperative und hinderte sie daran, noch deutlich mehr Kaffee aufkaufen zu können.

Da wir die einzigen Kund*innen sind, die den Kaffee vorfinanzieren, müssen sie Kredite in Anspruch nehmen, um den Kaffee ihrer Kooperativenmitglieder aufzukaufen. Banken verlangen allerdings schwer zu erbringende Sicherheiten und die Zinsen sind sehr hoch.

Thema waren natürlich auch die im Moment sehr hohen Rohkaffeepreise. Für die Produzierenden ein Segen, für ihre harte Arbeit angemessen entlohnt zu werden, verschärft sich dadurch aber natürlich das Liquiditätsproblem für die Kooperative: Um die gleiche Menge Kaffee aufzukaufen, brauchen sie mehr Geld. Und die Angst vor einem Einbruch der Preise lässt die Kooperative beim Aufkauf sehr vorsichtig agieren, weil sie dann den teuer aufgekauften Kaffee nur mit Verlust weiter verkaufen kann. Die Kooperativenmitglieder sind deshalb gezwungen ihren Kaffee zu einem schlechteren Preis an Zwischenhändler abzugeben, die mit schnellem Geld locken.

Die Kreativität, Professionalität und Motivation der Kaffee Abteilung hat uns bei unserem Gespräch einmal mehr begeistert. Sie lassen sich von Problemen nicht aufhalten und versuchen immer Lösungen und Verbesserungen in schwierigen Situationen zu finden. Zum Beispiel machen sie Fortbildungen direkt vor Ort in den Gemeinden, Schulen das Personal an den Aufkaufstellen für den Pergamin-Kaffee (Acopios) und fördern Jugendliche bei ihren ersten Schritten im Kaffeeanbau.

Außerdem sind sie ständig mit staatlichen Stellen im Gespräch, um günstigere Kredite für mehr Liquidität zu bekommen oder Bauvorhaben mit externen Mitteln umzusetzen. Zusätzlich ist die CENCOIC international sehr gut vernetzt. Dadurch schaffen sie es, NGOs zu überzeugen, zum Beispiel Stellen für zusätzliche Agrartechniker*innen zu finanzieren. Ziel der Kooperative sind nicht Gewinne, sondern ein gutes Leben für die Bewohner*innen in den Gemeinden zu erreichen.



Nach einem leckeren Mittagessen und einem kurzen Besuch bei einer benachbarten Firma, die Rohkaffeesäcke bedruckt, haben wir eine Führung durch das Rohkaffeelager bekommen. Mit dazu gestoßen sind unsere Freund*innen der kollektiven Rösterei „La Libertaria“ aus Lecco (Italien), die durch Zufall gerade auch im Cauca unterwegs sind.



Gemeinsam mit ihnen und unter fachkundiger Anleitung von Lucia Becoche und Henry Bermudez von der Qualitätsabteilung der CENCOIC durften wir drei leckere Kaffees verköstigen. Beide sind Kinder von Produzent*innen der CENCOIC – die Kooperative bemüht sich, Gemeindemitgliedern berufliche Chancen zu eröffnen und so immer mehr Fachwissen zu den Produzent*innen zu bringen. Henry und Lucia erklärten uns außerdem, die weitere Aufarbeitung des Kaffees, die physische Qualitätsprüfung und Sortierung des Kaffees.

Wir haben heute wieder extrem viel gelernt und sind gespannt auf die nächsten Tage!










3. Tag

Was für ein Unterschied, nicht vom Trubel und Autolärm geweckt zu werden, sondern vom Vogelgezwitscher! Die Finca „Por Fin“ ist ein echtes Idyll und erstreckt sich mitten in den Bergen des Nordcauca auf drei Hektar in 1800m Höhe. Sie ist Eigentum der CENCOIC und wird vor allem für Probepflanzungen neuer Sorten Kaffee, sowie für Fortbildungen von Produzierendengruppen der Kooperative CENCOIC genutzt.

Heute stand am Vormittag das Treffen mit Schüler*innen und Lehrern der indigenen, landwirtschaftlichen Schule in Tacueyó und am Nachmittag ein Rundgang über die Finca mit der Kaffeeabteilung der CENCOIC auf dem Programm.

Wir begrüßten am morgen die Schüler Freymy Yadir Salazar, die ehemalige Schülerin Claudia Patricia Salazar, die weiter am Kaffeeprojekt der Schule beteiligt ist, den Lehrern Juan Carlos Largo, Luiz Hernando Rodriguez und den Rektor Ruben Dario Correa.

Mittlerweile geht das Schulprojekt Rissen/Tacueyó schon ins vierte Jahr. Dabei produzieren die Schüler*innen im indigenen Selbstverwaltungsgebiet von Tacueyó den Kaffee auf ihren eigenen Kaffeefeldern und verarbeiten ihn weiter, die CENCOIC kauft ihn auf und organisiert den Export, Aroma Zapatista macht den Import, die Schüler*innen-Firma in Hamburg-Rissen, organisiert die Röstung des Kaffees, verpackt und vermarktet ihn. Der Erlös fließt dann wieder zurück nach Kolumbien. Mit diesem wurde mittlerweile ein Trockentunnel für die Verbesserung der Trocknung des Kaffees, ein Gewächshaus zur Erhöhung der Nahrungsmittelsouveränität und ein Röster zur Weiterverarbeitung des Kaffees vor Ort gebaut. Außerdem erhalten die Schüler*innen aus Tacueyó für ihren Kaffee einen hohen Preis, mit dem sie zum Beispiel später ihr Studium finanzieren können.

Durch die Kooperation und weil die Schüler*innen durch den Verkauf des Kaffees über die CENCOIC einen guten Preis erhalten und sich so eigene Wünsche oder auch ein Studium finanzieren können, ist das Kaffeeprojekt bei ihnen sehr beliebt.

Die Lehrer*innen der Schule in Tacueyó setzen sich mit sehr viel Motivation dafür ein, dass es es für die die Jugendlichen des Selbstverwaltungsgebietes eine Alternative gibt. In der Gegend um Tacueyó haben die Drogenwirtschaft und bewaffnete Gruppen viel Einfluss und sie werben auch gezielt Jugendliche für ihre Aktivitäten an. Der Anbau von Koka und und Marihuana ist stark verbreitet und wirtschaftlich sehr attraktiv. Und für Jugendliche gibt es kaum andere Möglichkeiten. Nicht selten verschwinden Jugendliche aus der Schule und sterben bei gewalttätigen Auseinandersetzungen. Mit dem Kaffeeprojekt wird den Jugendlichen ein anderer Weg aufgezeigt.

Motiviert vom Erfolg ihrer Anstrengungen im Kaffeeprojekt, haben die Selbstverwaltung und die Schule in Tacueyó weitere Projekte in Angriff genommen: So gibt es sportliche und touristische Attraktionen wie das jährliche Mountainbike-Rennen und aktuell wird ein botanischer Wanderweg angelegt.

[Mehr zum Schulprojekt Rissen/Tacueyó findet ihr in diesem Artikel]



Am Nachmittag gab uns die Kaffeeabteilung der CENCOIC eine Führung über die Finca. Jhon, einer der Agrartechniker der Kooperative, zeigte uns die einzelnen Testfelder. Er erklärte uns die botanischen Besonderheiten der unterschiedlichen Varietäten, sowie die sensorischen Unterschiede der verschiedenen Sorten.



Außerdem durften wir ein paar Kilo reife Kaffeekirschen ernten und die Selektion vornehmen. Danach erfuhren wir mehr über das Entfernen des Fruchtfleischs und haben die Kaffeebohnen für 40 Stunden der aeroben Fermentation (unter Sauerstoffabschluss in einem Fass) übergeben. In den nächsten Tagen werden wir diesen Prozess bis zum Rösten und Verköstigen fortsetzen und sind schon sehr gespannt auf das Ergebnis!



Morgen geht's dann in die Bodega (Lagerhalle) der CENCOIC nach Piendamo!










2. Tag



Heute Vormittag waren wir in der Abteilung der Economia Propia – eine der 4 Abteilungen der Kooperative CENCOIC. Dort haben wir den Koordinator Manuel Bustos getroffen. Er hat uns viel berichtet über die aktuelle Situation der “eigenen Wirtschaft”. Mit dieser Abteilung verknüpft die Kooperative und die Bewegung politische wie wirtschaftliche Ziele. Dadurch soll die ökonomische Situation und die Autonomie der indigenen Gemeinden und der kleinbäuerlichen Familien gestärkt werden. Die Abteilung kauft unter anderem Produkte der indigenen Kleinbäuer*innen ab, um sie zu guten Bedingungen gemeinsam zu vermarkten – entweder in anderen Selbstverwaltungsgebieten oder auch außerhalb der indigenen Gemeinden. Ebenso haben sie eigene Marken von Grundnahrungsmitteln, die sie in guter Qualität produzieren und zu stabilen, erschwinglichen Preisen in den indigenen Selbstverwaltungsgebieten vertreiben. Dadurch bleiben mehr ökonomische Ressourcen in den Selbstverwaltungsgebieten und die Kleinbäuer*innen haben einerseits einen Markt für ihre Produkte und andererseits eine Lebensmittelsicherheit. Als Kooperative aus den Gemeinden haben sie das Ziel, die Bedürfnisse der indigenen Bewegung zu erfüllen. Insgesamt waren wir sehr begeistert über die Energie und den Mut, mit dem die CENCOIC hier versucht, ökonomische Sicherheit für die Kleinbäuer*innen zu gewinnen.

(Einen super Hintergrundartikel zu den Problemen der indigenen Kleinbäuer*innen und dem Anstrengungen der Gemeinden, diese zu ändern, findet ihr hier)

Auch Juan Carlos Guampe, der Geschäftsführer der CENCOIC, sowie Hernán Castellanos, der Koordinator der Kaffeeabteilung, waren beim Gespräch dabei. Juan Carlos sagte: “Wir freuen uns sehr, dass ihr hier seid, denn der Austausch ist wichtig, und die Kommunikation muss offen sein, damit Prozesse laufen können”.



Mittags hatten wir die Gelegenheit für ein kurzes Treffen mit Hermes Pete, der 2020-22 der oberste Vertreter der Bewegung war und aktuell Abgeordneter in der 2. Parlamentskammer Kolumbiens ist. Er berichtete uns von seiner Initiative, Kaffeekooperativen der verschiedenen ländlichen Bevölkerungsgruppen (Indigene, Afrokolumbianer*innen, Campesinos), zwischen denen es oft Konflikte gab, zusammen zu bringen. Er berichtete außerdem, dass heute Morgen im Selbstverwaltungsgebiet von Toribio ein Guardia Indígena ermordet wurde.

Anschließend sind wir gemeinsam mit dem ganzen Team der „Economia Propia“ zum Essen gegangen. Es war toll, mit ihnen allen gemeinsam an einem Tisch zu sitzen.



Nach dem Mittagessen berichtete uns die Personalabteilung der CENCOIC von ihrer Arbeit, die unter anderem darin besteht, Weiterbildungen anzubieten, sich um Arbeitssicherheit, Konfliktbearbeitung und mentale Gesundheit zu kümmern, sowie eine gute Arbeitsatmosphäre innerhalb der Kooperative zu schaffen. Dabei dachten wir oft, dass das auch wichtige Themen für unsere eigenen Kollektive sind.

Wir haben noch viel mehr gelernt und erfahren aber das sprengt hier den Rahmen. Ein wichtiger Grundsatz der CENCOIC ist es, zu lernen und zu verlernen, sagt Manuel, und ihre Mission ist es gut zu leben und sich gegenseitig zu stärken.

Wir freuen uns sehr, auf dieser Reise Teil davon sein zu können und gemeinsam zu lernen!

Abends sind wir auf die Finca „Por Fin“ gefahren, die der CENCOIC gehört. Mehr dazu erfahrt ihr morgen, denn hier werden wir die nächsten Tage verbringen.



1. Tag

Die Reise der beiden Kaffeekollektive Aroma Zapatista und La gota negra hat begonnen!

Heute sind wir in Popayán, der Hauptstadt der Region Cauca im Südwesten Kolumbiens, angekommen.



Rocío und Sandra, die bei der Kooperative CENCOIC arbeiten, haben uns sehr herzlich in Empfang genommen und uns ihre Stadt gezeigt. Wir sind durch die engen Straßen der kolonial-erbauten Innenstadt mit ihren weißen Häuser gelaufen, zur Brücke, über die damals die versklavten Menschen geführt wurden, und auf den Berg Morro de Tulcán, der vor der europäischen Invasion ein wichtiger Ort für indigene Zeremonien war. Auf diesen stellten die spanischen Kolonialherren dann eine Statue von Sebastian de Belalcázar, welche bei Protesten im Jahr 2020 von den indigenen Misak gestürzt wurde. Wir haben gemeinsam die ersten typischen Snacks genascht und leckere Fruchtsäfte genossen und uns dabei ausgetauscht und erfahren das Rocío bei der CENCOIC in der Koordination der einzelnen Kaffeeproduzierenden-Gruppen tätig ist und Sandra für administrative Aufgaben zuständig ist.



In den nächsten Tagen werden wir die Kaffeeabteilung der CENCOIC und deren Kaffeeanbauende besuchen und viel Zeit mit ihnen verbringen. Wir erwarten in den nächsten Tagen außerdem spannende Gespräche mit dem Indigenen Regionalrat des Cauca (CRIC), der Selbstorganisierung der Frauen und der Jugendlichen in der Bewegung. Außerdem treffen wir die Guardia Indigena, um mehr über ihre Arbeit zu erfahren und uns über die aktuelle Situation der selbstverwalteten Gebiete auszutauschen.

Es war ein toller Start mit den beiden! Vielen Dank an die CENCOIC!


 
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